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Unterhaltsames

Naturschule Aggerbogen

Von Dr. Manuela Gianetti und Jörg Hohenadl

„Hinter grünen Hecken kann man sich verstecken. Wir sitzen unterm Holderbusch und machen alle husch, husch, husch“…wer kennt nicht die alten Kinderreime, die wir vielleicht selbst einmal vor langer Zeit gesungen und gespielt haben. Hier am Aggerbogen, auf dem Weg von Lohmar Richtung Overath, könnte man glauben, die grünen Hecken und der Holunderbusch sind wie eine Pforte in eine andere Welt. Weg von der sich schnell drehenden und immer virtueller werdenden Welt, hinein in ein fast märchenhaft anmutendes grünes Land, wo Pflanzen, Menschen und Tiere zueinander finden und sich gerade Kinder und Jugendliche zu wahren Entdeckern formieren können.


Wer zu schnell mit seinem PKW auf der Straße unterwegs ist, übersieht leicht das Hinweisschild zur Naturschule am Aggerbogen und versäumt damit ein naturstarkes, ökologisches Kleinod, das seinesgleichen im weiten Umkreis sucht. Der (Öko)zwergenstaat am Aggerbogen will nicht laut auf sich aufmerksam machen. Er fügt sich viel mehr harmonisch in die Naturlandschaft zwischen Wasserlauf und Wiesental ein. Der Schlagbaum hält nur die Motoristen auf Abstand, ansonsten sind kleine wie große Besucher immer herzlich willkommen und werden auch schon einmal durch das laute Quaken eines Aggerfrosches angekündigt. Vorbei an Haselnusssträuchern, Benjeshecken und Weiden-Tipis führt der Weg zur Grünen Schule. Auch hier wartet kein großes, stattliches Gebäude, sondern ein eingeschossiges, überschaubares Haus, das einladend wirkt und in seinem Inneren Platz für Regentage, aber auch Raum für Kreativität und Entfaltung bietet. Der wahre Reichtum findet sich letztendlich auch nicht in der baulichen Demonstration, sondern im weitläufigen Landschaftsgarten, der tausend und mehr kleine wie große Wunder der Natur in sich vereint und mit spannenden Expeditionen zum Kennenlernen von Flora und Fauna auffordern möchte.


Dem „Ruf der Wildnis“ folgen seit Gründung der Naturschule am Aggerbogen immer mehr Besucher. Waren es 1993 gerade einmal 300 Gäste, sind es heute mehr als 12.000 Besucher pro Jahr. Ein mehr als erfreuliches Zeichen, dass sich gegenüber der ach so schönen, neuen, digitalen Welt, die insbesondere vor Kindern und Jugendlichen nicht Halt zu machen scheint,  auch ein Regulativ entwickelt, das wortwörtlich die Erdung hin zu Mutter Natur ermöglicht. Beides in Balance und Achtsamkeit zu führen ist wohl die große Herausforderung in der heutigen Zeit und die Naturschule liefert hierzu einen nicht hoch genug zu wertenden Beitrag. Das Vorhalten von möglichst intakter Natur alleine genügt heutzutage allerdings nicht mehr um das Interesse zu wecken. Es sind die damit verbundenen zahlreichen grünen Naturangebote, die das ökologisch wertvolle Areal erschließen und zum Erlebnisland werden lassen.

Rund 16 ha misst das Gebiet, in dem nichts mehr so ist, wie es einmal war. Fast würde man die dortige Entwicklung als verkehrte Welt bezeichnen wollen, betrachten wir einstigen Zeitgeist, der meist der Natur ihren Lebensraum nahm und ihn wirtschaftlichen Interessen unterstellte. Hier geschah glücklicherweise genau das Gegenteil. Aus einer relativ eintönigen und überwiegend intensiv genutzten Kulturlandschaft wurde durch umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen ein wunderbares Refugium für Menschen, Pflanzen und Tiere gleichermaßen.

Was oftmals selten geschieht, funktionierte hier. Die STADT LOHMAR und der NATURSCHUTZBUND im Rhein-Sieg-Kreis zogen an einem Strang und schufen damit einen LANDSCHAFTSGARTEN, der mit den Jahren zum ökologischen Bildungs- und Erfahrungszentrum für eine ganze Region werden sollte.

Vor den Erfolg setzten auch hier die Götter viel Schweiß und Arbeitskraft. Asphalt wurde von bestehenden Wegen entfernt,  ein Teich angelegt und ein Altarm der Agger wieder geöffnet. Der Auencharakter des Gebietes konnte in weiten Teilen  erhalten werden und durch die Schaffung von Mulden, wechselnden Wasserflächen und punktuellen Anpflanzungen eine generelle ökologische Aufwertung des Gebietes erfolgen. Für eine Streuobstwiese wählte man alte Apfel- und Birnbaumsorten, die traditionell in der Region beheimatet sind. Am Ende waren es rund 20.000 neue Sträuchlein und Bäumchen, die dem LANDSCHAFTSGARTEN AGGERBOGEN ein neues Gesicht verliehen. Mit dem Schaffen neuer Lebensräume folgten auch Insekten, Vögel, Fledermäuse, Nager und weitere Kleintiere dem neuen „Wohnraumangebot“.

Wertvolle Pflanzengemeinschaften, die ihre Funktion als Bienenweide erfüllen, zogen Falter, Schmetterlinge und zahlreiche weitere Insekten und Wildbienenarten an.  Aufgestellte Bienenvölker förderten die Honigproduktion aus heimischer Gegend. Brutkästen, Weidenbauten, Igelhaufen  und Benjeshecken sorgten für zusätzliche Ansiedlung und eine artenreiche Fauna, die sich über die Zeit hinweg erstaunlich entwickelte.

So erfolgreich die Ergebnisse der Renaturierung auch waren, die Begeisterung der Bevölkerung hielt sich am Anfang in Grenzen. Das neu geschaffene Naturjuwel präsentierte sich nicht in publikumsträchtigen Schauprojekten, sondern erforderte genaues Hinsehen. Die kleinen wie großen Wunder der Natur wirken zumeist in subtiler Weise und geschehen in sanfter Art statt in offenkundiger Stärke. Das grüne Blatt begann sich langsam zu wenden, als mit einer ersten Kindergartengruppe eine Wiesenexkursion durchgeführt wurde. Die erfrischende Offenheit, Neugier und Begeisterungsfähigkeit der kleinen Besucher eröffnete neue Pfade für ein neues Verständnis von Umwelt und Natur. Den Naturschule-Pionieren folgten weitere Gruppen und langsam sprach sich die Besonderheit des Angebotes herum. Das ehemalige Sportlerheim am Rande des Bolzplatzes wurde nicht nur für regennasse Tage, sondern auch für kommende Workshop-Projekte der NATURSCHULE umgestaltet und damit zum Zentrum des LANDSCHAFTSGARTENS AGGERBOGEN.

Ab 1995 gab es ein erstes Jahresprogramm, das sich nicht nur an Klein- und Schulkinder richtete, sondern sich vermehrt der ökologischen Bildung Erwachsener widmete. Jeder findet hier nun sein ganz persönliches Interessensgebiet in der Symbiose von Mensch und Natur. Das Angebotsspektrum hat sich seit dem Start immens weiter entwickelt. Mehr als 600 Kurse im Jahr führen zu Fledermausexkursionen, laden ein zum Kennenlernen  von Filzen, Korbflechten und traditionellem Honigschleudern, zum Drachenbau oder zu dem Kurs wie „Stockbrot im Lehmofen“ knusprig lecker wird. Die Bandbreite der praktischen Erlebniskurse ist hoch und doch spielt die Natur in all ihrer Vielfalt immer wieder aufs Neue eine spannende Rolle. Exkursionen ins Reich der Pflanzen zu Wiesenabenteuern und Baumrätseln, in den Zauberwald oder auf eine Kanutour gehören dabei genauso zu den Favoriten wie Kleintiersafaris, Vogelnesterbau oder die Geschichte über die wundersame Reise der Wassertropfen. Nach rund 25 Jahren Erfahrung in der Angebotsgestaltung hat sich ein Programm mit dauerhaft buchbaren Kursen und Themen entwickelt. Zusammen getragen und gebündelt in einem mehr als 80 Seiten umfassenden „Outdoorbuch“, greift das Programm Themen des Sachunterrichts der Grundschulen sowie des Fachunterrichts der Orientierungs- und Sekundarstufen auf.  

Für einen leistbaren Kostenbetrag wurde eine robuste und hochwertige Forschertasche in frischem Grün entwickelt, die mit pfiffigen wie hilfreichen Entdeckerutensilien gefüllt ist. Kleine wie große Besucher lockt die Expeditionstasche in die Natur und enthält beispielsweise eine Becherlupe, mit der kleine Pflanzenteile und Lebewesen genau betrachtet werden können. Zu den weiteren unverzichtbaren Forscherhilfen gehören ein hochwertiges  Multifunktionswerkzeug, eine Taschenlampe, ein kleiner Kompass, eine Trinkflasche, ein Karabiner sowie Bestimmungshilfen und Wanderkarten für den Bereich rund um Lohmar, das Naafbachtal und den Aggerbogen. Das Wichtigste aber sind die Anleitungen zum Forschen, Spielen und Experimentieren, die von den MitarbeiterInnen der Naturschule zusammengestellt und erprobt  wurden. Mit dieser Grundausstattung sind große und kleine Entdecker bestens ausgerüstet, um die heimische Pflanzen- und Tierwelt zu erforschen und zu erleben.


Schon früh startet in der Naturschule das bewusste Erleben von Natur. Als Ökozwerge dürfen sich die zwei bis vier Jahre alten kleinen Besucher bezeichnen, die hier spielend auf den Kindergarten vorbereitet werden. Immer in Begleitung von engagierten Pädagoginnen werden die Kleinkinder so oft wie möglich mit der grünen Umwelt in Berührung gebracht. Sie bespielen die grünen Bauwerke aus Weiden, basteln mit Naturmaterialien und erlernen so schon in frühen Lebensjahren einen vertrauten Umgang mit der Natur. Später verwandeln sich die ÖKOZWERGE beinahe von selbst in AGGERFRÖSCHE  oder NABU-RANGER, unternehmen viel im LANDSCHAFTSGARTEN und treffen sich dort regelmäßig zu Arbeit, Spaß und Spiel.
Die Erwachsenen nutzen dagegen für sie entworfene Kursangebote oder schließen sich zu Naturschutzgruppen zusammen, um sich gemeinsam um Fledertiere oder Amphibien zu kümmern.

Selbst für Führungskräfte der Wirtschaft oder aber für straffällig gewordene Jugendliche bietet der integrierte Hochseilgarten Möglichkeiten, in der Auseinandersetzung mit sich selbst und der Natur Teamgeist zu üben. Interessierte BürgerInnen profitieren dagegen auch von der NATURSCHULE als Informations- und Beratungs-Agentur, die eine Menge Fragen für das tägliche Leben in und mit der Natur beantwortet.
Die Region um den AGGERBOGEN hat sich von einem mutigen Versuch einer Kommune hin zu einem weit über die Region bekannten „Öko-Leuchtturm“ entwickelt. Die Kurse sind gut gebucht und Kleinkinder, Schulklassen und Jugendgruppen nehmen lange Wartelisten in Kauf, was den Reiz des „dazu Gehörens“ noch erhöht.

Die vielfältigen Kurs- und Erlebnisangebote und die hoch motivierten wie engagierten Mitarbeiter sind neben dem wertvollen Naturpotenzial der wahre Schatz des Landschaftsgartens. Leise statt laut und spielend statt spektakulär wird das Bewusstsein geschärft und der Wert einer schützenswerten Flora und Fauna vermittelt.